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Privatrechtliche Rückforderung von Glücksspieleinsätzen durch Spieler

Prof. Dr. Anatol Dutta

Mittwoch, 09.07.2025

Vor den deutschen Zivilgerichten fordern zunehmend Spieler die Rückzahlung geleisteter Spieleinsätze, häufig mit Unterstützung von Prozessfinanzierungs- oder Prozessführungsunternehmen. Diese sogenannten „Spielerklagen“ waren bisher unterschiedlich erfolgreich. Es stellt sich die Frage, ob die Spielverträge wegen eines Verstoßes gegen die deutsche Glückspielregulierung nach § 134 BGB unwirksam sind, soweit diese überhaupt unionsrechtskonform ist. Die Glücksspielaufsicht hatte in der Vergangenheit das deutsche Glückspielrecht nur zum Teil durchgesetzt. Vielmehr hat die staatliche Aufsicht Verstöße der Unternehmen geduldet, wenn sich die Unternehmen an bestimmte Vorgaben der Behörden gehalten haben, um zu verhindern, dass Spieler auf ein gänzlich unreguliertes Angebot ausweichen. Uneinigkeit besteht auch, ob etwaige bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 817 Satz 2 BGB gesperrt sind und deliktische Schadensersatzansprüche der Spieler bestehen.

Diese schwierigen privatrechtlichen Aspekte der Spielerklagen (hierzu etwa Dutta/Heinze, Die Rückforderung von Glücksspieleinsätzen im Internet, 2023, open access abrufbar hier) betreffen auch die Koordination von öffentlicher Regulierung und Privatrecht, also das Spannungsfeld von „public“ und „private enforcement“: Inwieweit kann und sollte das Privatrecht verhaltenssteuernd wirken und hier womöglich öffentlichrechtliche Verhaltensnormen durchsetzen, die der Staat gar nicht durchsetzen will oder (unionsrechtlich begründet) durchsetzen kann? Inwieweit sind Rückforderungsansprüche als privatrechtliche Durchsetzung einer mitgliedstaatlichen Glücksspielregulierung unionsrechtskonform, soweit diese selbst unionsrechtswidrig ist? Hierzu wird demnächst der Gerichtshof der Europäischen Union Stellung nehmen können, etwa auf Vorlage des Bundesgerichtshofs.

Spannende Fragen wirft aber auch der Kontext der Spielerklagen auf: Viele der anbietenden Unternehmen haben ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Zwar könnte der zuständigkeits- und kollisionsrechtliche Verbraucherschutz für eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und eine Maßgeblichkeit deutschen Privatrechts sorgen – jedenfalls soweit keine Prozessfinanzierungs- oder Prozessführungsunternehmen involviert sind und keine Abtretung etwaiger Ansprüche durch die Spieler (und sei es auch nur zu Sicherungszwecken bei der Prozessfinanzierung) den Verbrauchergerichtsstand im Inland gefährdet.

Aber bei der Durchsetzung einer deutschen Entscheidung im Ausland bestehen Hürden. So hat in Malta – Sitzstaat einiger Glücksspielunternehmen – der Gesetzgeber im Jahr 2023 angeordnet, dass jeder Anspruch gegen den Inhaber einer maltesischen Glücksspiellizenz, der im Widerspruch zur Zulässigkeit des Glücksspiels nach maltesischem Recht steht, also etwa Ansprüche auf Rückforderung von Spieleinsätzen durch Spieler, gegen die öffentliche Ordnung Maltas verstößt. Auf diese Weise will der maltesische Gesetzgeber nicht nur Klagen gegen die einheimische Glücksspielindustrie in Malta verhindern, soweit ausländisches Schuldrecht – vor allem nach der Rom-I-Verordnung oder Rom-II-Verordnung – anwendbar ist. Verhindert werden soll auch die Anerkennung und Vollstreckung entsprechender ausländischer Entscheidungen, etwa aus anderen Mitgliedstaaten nach der Brüssel-Ia-Verordnung, die ebenfalls die mitgliedstaatliche öffentliche Ordnung vorbehält.  Fraglich ist, ob solche expliziten Aussagen eines mitgliedstaatlichen Gesetzgebers zu seinem ordre public Aussicht auf Erfolg haben. Das Unionsrecht prägt den allgemeinen ordre-public-Vorbehalt in seinen Rechtsakten inhaltlich kaum vor, sondern überlässt die Ausfüllung dieser Ausnahmevorschriften dem mitgliedstaatlichen Recht. Wer kann über eine offensichtliche Abweichung von wesentlichen Rechtsnormen oder im Inland als grundlegend anerkannten Rechten, die in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats stünde (auf den die unionsrechtlichen ordre-public-Vorbehalte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stets abstellen) besser Auskunft erteilen als der mitgliedstaatliche Gesetzgeber selbst? Einer solchen gesetzgeberischen Aussage zum ordre public dürfte damit allenfalls der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz Grenzen setzen.

Kurzum: Die Spielerklagen öffnen ein weites Feld mit vielen Randfragen, von denen die unterschiedlichsten staatlichen und privaten Akteure betroffen sind: Spieler, Glücksspielunternehmen, Prozessfinanzierungs- und Prozessführungsunternehmen, regulierende Mitgliedstaaten, Sitzmitgliedstaaten und Europäische Union.