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Quo vadis (E-)Sportwette? – Zur glücksspielrechtlichen Einordnung der Wette auf E-Sportevents

Leonie Schulz, Tobias Lüder

Mittwoch, 11.11.2020

Jüngst wurden – nach einem jahrelangen Streit zwischen den Bundesländern nebst verschiedenen gerichtlichen Entscheidungen – tatsächlich die ersten Sportwettlizenzen an private Anbieter verteilt. Hierdurch konnte nun endlich eine bestehende rechtliche Grauzone aufgelöst werden. Sind dadurch alle Probleme der Regulierung der Sportwette behoben? Keineswegs! Die Bedeutung des E-Sport nimmt in den letzten Jahren vor allem bei jüngeren Generationen rasant zu. Mittlerweile haben sogar verschiedene Fußballvereine wie beispielsweise der FC Schalke 04 oder der SV Werder Bremen das Potential des E-Sports erkannt und eigene E-Sportabteilungen gegründet, die unter anderem in der Fußballsimulation FIFA oder dem Spiel League of Legend gegeneinander antreten. Die Zuschauerzahlen spiegeln dies wider: Über 2,3 Millionen Menschen sahen sich das Solo-Finale der „Fortnite WM“ an (https://www.epicgames.com/fortnite/competitive/de/news/the-fortnite-world-cup-a-record-setting-tournament). Durch den Ausfall regulärer Sportveranstaltungen während der Corona-Pandemie erfreuten sich E-Sport-Angebote bei Teilnehmern und Zuschauern noch größerer Beliebtheit. Von Dezember 2019 bis Anfang April 2020 stiegen die Zuschauerzahlen des Streaming-Portals Twitch um 70 % an (https://www.gaming-grounds.de/lets-play-2020-der-europaeische-e-sport-markt-in-zeiten-von-covid-19/). Mit dem wachsenden Interesse am E-Sport steigt auch das Potential des E-Sport am Wettmarkt. Aber ist die E-Sportwette überhaupt reguliert? Oder entsteht hier der nächste große graue bzw. schwarze Wettmarkt?


I. Was ist E-Sport?


E-Sport zeichnet aus, dass es sich dabei um einen regelgeleiteten Wettkampf zwischen mindestens zwei menschlichen Spielern handelt. Dieser findet auf digitalen Plattformen wie Computern oder Spielekonsolen statt und erfordert entsprechende Video- oder Computerspiele. Spiele wie FIFA oder Fortnite erfordern eine zielgerichtete Bedienung eines Eingabegeräts zur Reaktion auf das Spielgeschehen, aber auch taktische Spielkenntnisse. Kennzeichnend ist dabei auch die körperliche Komponente, denn bei der Bedienung des Eingabegerätes wird eine außerordentlich hohe Präzision bei hoher Frequenz gefordert, welche weit über die durchschnittliche Nutzung von Tastatur oder Controller hinausgeht.


II. Regulierung des E-Sports


Bei der Frage nach der Regulierung des E-Sports kann zunächst an § 284 StGB, der die unerlaubte Veranstaltung von Glücksspiel unter Strafe stellt, angeknüpft werden. Hierbei wird schon zum Teil in Frage gestellt, ob bei Wetten auf E-Sport überhaupt das für das Glücksspiel notwendige Zufallselement gegeben ist. Schließlich hänge der Ausgang eines E-Sportevents selbst nicht vom Zufall ab, da der bessere Spieler in der Regel das Event gewinne. Demzufolge komme es bei der Wette wiederum erheblich darauf an, wie informiert der Wettende sei. Es sei daher auch bei der Wette auf das E-Sportevent vielmehr von einem Geschicklichkeitsspiel auszugehen. Zu erwarten ist jedoch, dass die Rechtsprechung die Grundsätze überträgt, die sie für die „gewöhnliche“ Sportwette aufgestellt hat. Danach kommt es auf die Fähigkeiten eines Durchschnittsspielers an. Ein Glücksspiel liegt auch vor, wenn einzelne Teilnehmer aufgrund besonderer Kenntnisse oder Fähigkeiten in der Lage sind, den Spielverlauf vorherzusagen oder zu bestimmen (vgl. BGH NStZ 2003, 372 f.). Richtigerweise handelt es sich deshalb auch bei Wetten auf E-Sportevents um Glücksspiel. Für eine Strafbarkeit des Wettanbieters entscheidend ist somit, ob eine behördliche Erlaubnis vorliegt. Ob eine solche erteilt werden kann, richtet sich in erster Linie nach dem Glücksspielstaatsvertrag.
Sowohl im aktuellen Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüStV 2020) als auch im geplanten Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (GlüStV-E 2021) wird in § 3 Abs. 1 S. 1 das Glücksspiel legaldefiniert. Relevant ist hier insbesondere § 3 Abs. 1 S. 3 GlüStV, wonach es sich bei Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines künftigen Ereignisses um Glücksspiel handelt. Für den Bereich der Sportwetten sieht der GlüStV noch weitere modifizierte Regelungen vor. Damit diese greifen, müsste jedoch der Sportwettbegriff des GlüStV erfüllt sein.
Im aktuellen GlüStV 2020 wird auch der Begriff der Sportwette in § 3 Abs. 2 S. 4 legaldefiniert. Demnach handelt es sich bei Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten dieser um Sportwetten. Bei den meisten online angebotenen Wettmöglichkeiten liegen feste Quoten vor und es wird auf den Ausgang eines Spiels gewettet. Schwierigkeiten bereitet jedoch der Begriff des Sportereignisses: Handelt es sich bei E-Sport um Sport? Auch im geplanten GlüStV-E 2021 wird hierfür an den Sportwettbegriff angeknüpft, dessen Legaldefinition sich indes geändert hat: Gemäß § 3 Abs. 1 S. 4 GlüStV-E 2021 handelt es sich nunmehr bei Wetten zu festen Quoten auf einen zukünftigen Vorgang während eines Sportereignisses oder das Ergebnis eines Abschnitts eines Sportereignisses um Sportwetten. Beibehalten wurde somit die Beschränkung auf Festquotenwetten, jedoch findet sich eine wesentliche Neuerung. Erfasst von der Definition sind nun auch Ereigniswetten, solange diese Bestandteile des sportlichen Geschehens sind, z. B. eine gelbe Karte. Zudem definiert der Entwurf in § 3 Abs. 1 S. 5 GlüStV-E 2021 auch das Sportereignis: ein sportlicher Wettkampf zwischen Menschen nach definierten Regeln. Der Sportbegriff bleibt allerdings weiterhin offen. Gemäß den Erläuterungen zum Entwurf ist hier maßgeblich, ob die Tätigkeit als Sport anerkannt wird. Welches Verständnis des Sportbegriffs zugrunde gelegt wird, entscheidet dabei die Erlaubnisbehörde. Diese kann sich bei ihrer Entscheidung fachlich beraten lassen, wobei nicht nur eine Auffassung maßgeblich sein soll (Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021, S. 51).


1. Bisheriger Meinungsstand


Die Behörde kann sich bei ihrer Entscheidung also fachliche Unterstützung holen. Aber wer könnte eine solche fachliche Unterstützung leisten und wie wird die Frage nach der Sporteigenschaft des E-Sport dort beurteilt?
Wenig verwunderlich ist, dass die E-Sportbranche selbst darauf abstellt, dass ein professioneller E-Sportler gewisse körperliche Leistungen erbringt, die sogar mit denen von Hochleistungssportlern vergleichbar seien. Es wird auf die Hand-Augen Koordination und die enorme Reaktionsgeschwindigkeit verwiesen. Dies führe bei E-Sportlern zu einer Herzfrequenz die mit einem Marathonläufer vergleichbar sei (so Frey, e-Sports-Rechtsfragen eines komplexen Ökosystems im Überblick, Sport und Recht 2018, 2 ff., 53 ff). Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) lehnte hingegen – in einem kürzlich erschienenen Gutachten – eine Anerkennung des E-Sport als Sport ab (https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/eSport/Gutachten_eSport.pdf). In dem Gutachten wurde allerdings unter anderem klargestellt, dass auch der DOSB dies überdenken könne, da die Anerkennung von Sportarten ein gesellschaftlicher Prozess sei.
Einen anderen Anknüpfungspunkt könnte das Gemeinnützigkeitsrecht bilden. Nach § 52 Abs. 2 Nr. 21 ist die Förderung als Sport (Schach gilt dabei als Sport) als gemeinnützig anzuerkennen. Auch in dem Bereich des Gemeinnützigkeitsrecht ist die Anerkennung des E-Sport als Sport höchst umstritten. Die körperliche Komponente, welche für die sportliche Tätigkeit als kennzeichnend sei, wird beim E-Sport zumeist verneint. Während beim Schach ein gleichrangiger Leitgedanke, der für die Förderung nötig wäre, gesehen wird (BT-Drs. 08/3142, S. 3), ist dies beim E-Sport nicht der Fall. Besonders kritisch betrachtet wird dabei, dass es noch ungeklärte ethische Probleme und Gesundheitsfragen wie z.B. problematisches Suchtverhalten gibt. Selbst wenn E-Sport als Sport im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts anerkannt würde, liegt nur insoweit Sport vor. Dieser Sportbegriff ist aber nicht verallgemeinerungsfähig. Auch der Rückgriff auf das Begriffsverständnis des § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO kann folglich nur eine Orientierungshilfe darstellen.
Es wird deutlich, dass es an einer einheitlichen Beurteilung der Frage, ob es sich bei E-Sport um Sport handelt, mangelt. Es ist nochmal darauf hinzuweisen, dass diese Positionen für die Behörde nur Anhaltspunkte bilden. Es gibt weder eine offizielle (staatliche) Anerkennung des E-Sport als Sport noch hätten nicht glücksspielrechtliche Gesetze bzw. Auslegungen von anderen Gesetzen direkten Einfluss auf die Entscheidung der Behörde.


2. Auslegung des Sportbegriffs nach dem GlüStV


Die geplante gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder muss also für das Glücksspielrecht eigenständig entscheiden, ob es sich beim E-Sport um Sport im Sinne des GlüStV-E 2021 handelt. Michael Kubiciel, Mitbegründer der Forschungsstelle E-Sport-Recht, hält es dabei etwa für sachgerecht auf den Wortlaut und insbesondere den Sinn und Zweck der glücksspielrechtlichen Bestimmungen zurückzugreifen.
Bei der Auslegung nach dem Wortlaut ist das allgemeine Sprachverständnis heranzuziehen. Betrachtet man die Aktivitäten, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Sport bezeichnet werden, lässt sich feststellen, dass diese sich in der Regel durch eine körperliche Betätigung auszeichnen. Freilich fällt die Intensität der Betätigung dabei unterschiedlich aus. So verlangt der Radsport naturgemäß eine höhere körperliche Aktivität als das sog. Sportschießen. Die körperliche Betätigung könnte beim E-Sport in der Bedienung des Eingabegeräts, die je nach Spiel eine erhöhte Präzision verlangt, gesehen werden. Es stellt sich dabei die Frage, ob diese koordinierten Bewegungen ausreichend sind. Eine mögliche Vergleichsaktivität wäre hier das Sport- oder Bogenschießen. Hier wird die körperliche Betätigung in dem Heben der Waffe bzw. der Spannung des Bogens gesehen. Es ließe sich – zugegebenermaßen etwas konstruiert – argumentieren, dass das Heben einer Waffe bzw. das Spannen eines Bogens einen höheren Kraftakt verlangt als das Bewegen einer Maus oder die Betätigung eines Controllers. Jedoch zeigt allein schon dieser Vergleich, dass eine Auslegung anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs nicht wirklich zielführend ist. Festzustellen ist viel mehr, dass die Vorstellung davon, was eine Sportart darstellt, vor allem eines ist: wandelbar. Als in den 1960er Jahren die ersten „Asphaltsurfer“ durch die Straßen fuhren, gingen wohl die wenigsten davon aus, dass es sich dabei um einen Sport handelt. Heute bestreitet niemand mehr ernsthaft, dass es sich beim Skateboardfahren um eine sportliche Aktivität handelt.


Bei der teleologischen Auslegung sind insb. die Ziele der glücksspielrechtlichen Regulierung aus § 1 GlüStV in den Blick zu nehmen. Hierbei ist die Kanalisierung als Ziel (§ 1 Nr. 2 GlüStV) der Sportwettregulierung von großer Bedeutung. Würde E-Sport nicht unter den Begriff des Sports im Sinne des GlüStV fallen, dann wäre die E-Sportwette nicht erlaubnisfähig. Würde man allerdings den Sportbegriff weiter öffnen und auch E-Sport hierunter subsumieren, könnte die wachsende Grauzone bekämpft werden und mit einem kontrollierten legalen Angebot dem Spieler- und Jugendschutz (§ 1 Nr. 3 GlüStV) bestmöglich Rechnung getragen werden. Da insbesondere Jugendliche ein wachsendes Interesse am E-Sport haben, ist zu vermuten, dass dieses Interesse sich auch am Wettmarkt widerspiegeln wird. Daher sollte insb. der Jugendschutz besonders berücksichtigt werden. Mit einer Öffnung würden zwar neue Spielanreize und schlussendlich auch Suchtgefahren geschaffen, jedoch wären diese Gefahren im regulierten Bereich kontrollierbar. Lässt man die Wetten auf E-Sportereignisse nicht unter die Sportwetten fallen und reguliert diese auch nicht einzeln, ist das Erstarken eines unregulierten Schwarzmarktes zu befürchten, was möglicherweise eine deutlich größere Gefahr auch für pathologische Spieler in sich trägt. Andererseits ist zu beachten, dass der GlüStV bewusst darauf verzichtet hat, Wetten auf andere Aktivitäten als den Sport (z.B. Wer fliegt zuerst aus dem Dschungelcamp?) erlaubnisfähig zu gestalten. Eine Argumentation, die sich ausschließlich auf das Kanalisierungsziel stützt, könnte zu einer Überdehnung des Sportbegriffs führen. Auch die Auslegung kommt hier also zu keinem eindeutigen Ergebnis.


III. Fazit


Die aufgezeigten Ansatzpunkte machen deutlich, dass sich eine Qualifikation des E-Sport als Sport als äußerst schwierig darstellt. Durch die ausdrückliche Erwähnung des E-Sport in den Gesetzesmaterialien zum GlüStV-E 2021 wird deutlich, dass der Gesetzgeber die wachsende Bedeutung der Wetten auf E-Sport-Ereignisse zwar gesehen hat, jedoch hat er noch keine klare Rechtslage geschaffen. Die wirtschaftliche (die Gesamteinahmen der E-Sportbranche für das Jahr 2020 werden auf 1 Milliarden Dollar prognostiziert, siehe https://www.esports.com/de/forbes-liste-das-sind-die-13-wertvollsten-esport-organisationen-38060) und auch soziale Bedeutung des E-Sport und das zugehörigen Wettgeschehens machen jedoch eine eindeutige Rechtslage aufgrund der damit einhergehenden Risiken nötig. Wenn die Länder im GlüStV ausschließlich Sportwetten zulassen und Wetten auf andere Ereignisse weiterhin ausschließen wollen, täten Sie gut daran, den Sportbegriff, der weder bei Experten noch im allgemeinen Sprachgebrauch eindeutig verwendet wird, selbst festzulegen. In diesem Sinne: Sportliche Grüße…